Dienstag, 11. Mai 2021

"Was kannst du eigentlich?"

Da ich damit bald zwei Jahre hier gelebt haben werde, drängt sich doch dem ein oder anderen Leser folgende Frage auf: "Nun sag, wie hast du’s mit der Sprache? / Du bist ein herzlich guter Mann, / Allein ich glaub, du kannst nicht viel davon." Es überwältigt mich mit Scham, so tückische Leser zu haben, die hier Wissensdurst vortäuschen, nur um mich und meine wunden Punkte in die Öffentlichkeit zu zerren, um sie dort dem Gelächter der Menschheit auszusetzen.

Nein, nicht Du, der diese Zeilen gerade jetzt liest, Du bist ehrlich, gesittet, wohlerzogen, kurz: langweilig und reizlos und von daher ein Leser, wie man ihn sich nur wünschen kann. Nein, du belästigst mich ja auch nicht mit solch impertinenten Fragen nach meinen Sprachkenntnissen, eine solche Frechheit erlaubt deine Erziehung ja auch gar nicht; diesen anderen Lesern dagegen wünsche ich, dass sie alle ihren Hausschlüssel verlegen und mindestens zehn Minuten verzweifelt danach suchen, ja, vielleicht sogar elf Minuten lang, während sie es eigentlich völlig eilig haben! Das soll ihnen mal eine Lehre sein, dass man nicht im Privatleben anderer Menschen herumschnüffelt! 

In der Tat berührt mich das Thema ein wenig unangenehm. Mein ursprünglicher Plan war es, innerhalb von wenigen Wochen die Sprache so gut zu beherrschen, dass ich mich vorstellen kann und in einfachen Situationen meine Wünsche ausdrücken kann, also im Taxi, Restaurant und so weiter. Das entspräche ungefähr Niveau A1. Anschließend hätte ich im folgenden halben Jahr Niveau A2 erreicht und im zweiten Schuljahr wenigstens B1 erreicht, womit ich schon durchaus komplexere Gespräche hätte führen können. Und spätestens in meinem dritten Jahr wäre ich - meiner Vorstellung nach - von einem Muttersprachler nicht mehr zu unterscheiden gewesen. Und wie so oft gilt: Der Mensch macht Pläne, und Gott lacht. 

Optisch ist der gute Mann nicht mehr von
einem Ägypter zu unterscheiden.
Aber was passiert, wenn er den Mund aufmacht?
 (Foto aus asch-Schalatin)

Zu meiner Verteidigung kann ich aber zwei limitierende Faktoren vorbringen, die ich in meiner ursprünglichen Rechnung nicht einkalkuliert hatte: Fehlende Sprechsituationen sowie Zeit und Kraft.

Insgesamt gibt es gar nicht so viele Situationen, in denen ich Ägyptisch-Arabisch unbedingt brauche. In der Schule spreche ich Deutsch, mit den Eltern auf Deutsch oder Englisch, mit ägyptischen Freunden auch eher Englisch. Von daher sind die natürlichen Sprechsituationen bereits durch die Rahmenbedingungen limitiert. (In Frankreich hatte ich dagegen ein viel intensiveres Sprachbad, aber eben auch mehr Zeit, die Sprache zu lernen.)

Die Zeit und Kraft war der nächste limitierende Faktor. Im ersten halben Jahr lag ich abends immer platt auf der Couch, geschafft von Schule und dem neuen Umfeld, unwillentlich noch irgendeinen Finger zu rühren, geschweige denn einen Finger zu rühren. Und obwohl ich zweimal pro Woche Arabischstunden hatte, ging der Fortschritt nur mäßig weiter. 

Meinen Lehrer, Mahmoud, sympathischer Typ Anfang vierzig, verheiratet, drei Kinder, verführte ich auch häufig zu Gesprächen über Gesellschaft und Kultur, einerseits, weil es mich wirklich interessierte und interessiert, aber auch - wohl eher unbewusst -, um dieses schrecklich anstrengende Lernen ein wenig hinauszuzögern. Trotz meiner Schüchternheit gelang es mir, ihn ganze Stunden lang in ein Gespräch zu verwickeln. Klar, dabei habe ich auch viel gelernt, aber eben nicht das, wofür ich ihn eigentlich bezahlte. In der Hinsicht war es eine bereichernde Erfahrung, mal wieder die Schulbank zu drücken, um sich in die Rolle eines Schülers zu begeben, der grundsätzlich etwas lernen möchte, nur eben nicht jetzt. Auch war und ist es eine interessante Erfahrung mithilfe einer Fremdsprache, Englisch, eine weitere Fremdsprache, Ägyptisch-Arabisch, zu lernen. Insgesamt gelingt uns das aber ganz gut.

Mein Arabisch liegt folglich deutlich unter meinen ursprünglichen Erwartungen. In alltäglichen Situationen - Taxi, Restaurant, Supermarkt - kann ich mich durchaus mitteilen, sofern nicht etwas Ungewöhnliches auftritt. Langsam bin ich dabei, die Verben von Gegenwart und Zukunft zu lernen, so dass es mir immer häufiger möglich wird, auch korrekte und ganze Sätze zu bilden. Oft ist mein Vokabular dafür noch zu klein. Es geht also voran, aber in Trippelschritten. Wenn ich es jetzt noch schaffe Vokabeln zu lernen, na dann bin ich nicht mehr aufzuhalten. 

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