Ich bin platt, körperlich und
geistig platt. Die erste Schulwoche ist vorbei … und sie war knackig, aber auch
durchaus sehr positiv.
Ermüdend ist dieser von allen
Seiten auf mich einprasselnde Input: die Hitze, die Abläufe an der Schule, die
neuen Klassen mit den neuen Schülern mit den für mich neuen Namen, pädagogische
und organisatorische Dinge, die ich als Klassenlehrer beachten muss, dazu der
Unterricht, die Sprache, die Hitze, andere kulturelle Gebräuche, das ungewohnte
Essen … und nicht zuletzt die Stadt, Kairo. Seit Sonntag hatte ich bis gestern kaum
eine ruhige Minute, außer ich habe geschlafen. Kurz: Die erste Woche war sehr
intensiv und ich bin froh, sie jetzt hinter mir zu haben.
Grundsätzlich ist mein
Ersteindruck aber sehr positiv. Die Schüler scheinen mir sehr freundlich und
herzlich zu sein. Das Verhältnis von Lehrern und Schülern ist hier
grundsätzlich ganz anders als in Deutschland, oft viel näher und auf einer
schon fast eher freundschaftlichen Ebene. Das birgt natürlich auch wieder
Gefahren, wenn man später die Noten geben muss. Hier gibt es anscheinend nur
die zwei Wege, das genauso mitzumachen oder sich umso stärker abzugrenzen.
Vernünftig ist es sicher, sich erstmal abzugrenzen, denn später kann man ja
immer noch mehr Nähe aufbauen bis man die für sich richtige Balance gefunden
hat. Da aber „vernünftig sein“ jetzt nicht so hundertprozentig mein Ding ist,
gehe ich eher auf die andere Schiene, versuche mich aber nicht vereinnahmen zu
lassen. Außerdem mag ich diese herzliche Art der Schüler, auch wenn Gerüchten
nach diese Emotionalität zwei Gesichter haben kann, was sich unter anderem vor
allem dann negativ zeigt, wenn die bekommene Note nicht mit der übereinstimmt,
die der Schüler sich gewünscht hätte. Das werde ich aber noch früh genug
feststellen.
Für mich selbst überraschend habe
ich bis jetzt wenige Probleme mir die Namen zu merken. Zwar ist es für mich
noch gewöhnungsbedürftig, dass nicht selten drei Leute mit dem gleichen
Vornamen in der Klasse sitzen und dazu noch zwei mit dem gleichen Nachnamen, der
bei den anderen der Vorname ist. Das überfordert mich an der ein oder anderen
Stelle noch.
Richtig geil sind auf jeden Fall
die Smartboards, die wir in dem neu gebauten Oberstufentrakt haben. Damit zu
arbeiten macht – vorausgesetzt die Technik funktioniert – wirklich Spaß.
Die meisten Kollegen habe ich ja
letzte Woche schon kennengelernt. Wirklich großartig finde ich ja unsere
ägyptischen Kollegen, etwas ein Drittel aller Lehrer. Die sind alle herzlich
und lachen viel. Mit einem habe ich ab nächste Woche auch ein Tandem, so dass
er deutsch und ich arabisch lernen kann.
À propos arabisch: Dank meiner
Arabischstunden – mittlerweile so knapp 15-20 – kann ich jetzt schon ein wenig
Smalltalk halten. Hallo, wie geht’s? toll, und dir?, tschüssi! und so weiter
klappt auch bereits mit einigen Variationen (mir geht’s supi!, so mittel) .
Momentan lerne ich die Zahlen, was es gerade im Supermarkt und ähnlichen
Situationen deutlich vereinfacht. Das Arabischlernen macht echt Laune, auch
wenn’s anstrengend ist. Mein Lehrer, ich habe ja Privatstunden, ist ein sympathischer
Typ und wir unterhalten uns auch häufiger mal über kulturelle Unterschiede, was
mir das Land auch deutlich näherbringt. Gerade habe ich ein paar Hemden zum
Bügeltypen gebracht und konnte, wenn auch gebrochen, auf Arabisch das Bügeln dieser
Hemden und die morgige Abholung vereinbaren. Das ist jetzt sicher nicht der
große Schritt für die Menschheit, aber für mich ist das ein weiteres Erfolgserlebnis.
Da die Schule und die Stadt sehr
fordernd sind, ist es mir wichtig, einen guten Ausgleich zu haben. Jetzt habe
ich mich schonmal in einem Fitnessstudio angemeldet, das heißt, ich werde totsicher
zu einer alles vernichtenden Kampfmaschine, vorausgesetzt, dass ich das mit
zwei-drei Besuchen pro Woche schaffen kann. Dazu war ich schon einmal mit zwei Kollegen
und ein paar Leuten von der deutschen Botschaft kicken. Das war eigentlich ganz
witzig, nur die Anfahrtszeit von knapp ner Stunde war dann eher so semi-geil. Weil
ich jetzt fünf Tage hintereinander Sport gemacht habe, bin ich jetzt halt auch
körperlich ein wenig platt; heute versuche ich mich so wenig wie möglich zu
bewegen.
Einen Cellolehrer habe ich auch
schon, treffe ihn aber erst nächste Woche. Aber damit dürfte ein Großteil
meines Freizeit- und Erholungsprogrammes erstmal zufriedenstellend abgedeckt
sein. (Gut, brauche noch von irgendwoher ein Cello, aber das wird sich schon
einfinden).
Jetzt könnte ich noch stundenlang
weiterschreiben, vor allem über den Verkehr. Über den gäbe es so einiges zu
berichtigen. Auch muss ich noch den Beitrag zur ägyptischen Hochzeit
nachliefern. Eigentlich hatte ich gehofft, das ein-zwei Tage später nachholen
zu können. Wenn ich aber abends Zuhause ankomme, überwiegt das Bedürfnis nach
Schlaf, ganz viel Schlaf.
Für heute Abend habe ich mich verabredet:
Essen und Bauchtanzen. Also irgendjemand tanzt mit ihrem Bauch, nicht ich.
Genug Bauch hätte ich zwar im Angebot, aber das würde wohl eher ein sehr
spezielles Publikum anziehen. Angesichts meiner Bauchtanzfähigkeiten ein
spezielles Publikum ohne Zahlungskraft. Da die Löhne in Ägypten eh sehr niedrig
sind, ist das vorerst ein Karrierepfad, den ich nicht beschreiten möchte. Aber
gut, bin ja mit dem Dasein als Lehrer vorerst gut ausgelastet. Langeweile ist hier
etwas, vor dem ich vorerst keine Angst zu haben brauche.