Freitag, 6. September 2019

Erste Schulwoche


Ich bin platt, körperlich und geistig platt. Die erste Schulwoche ist vorbei … und sie war knackig, aber auch durchaus sehr positiv.

Ermüdend ist dieser von allen Seiten auf mich einprasselnde Input: die Hitze, die Abläufe an der Schule, die neuen Klassen mit den neuen Schülern mit den für mich neuen Namen, pädagogische und organisatorische Dinge, die ich als Klassenlehrer beachten muss, dazu der Unterricht, die Sprache, die Hitze, andere kulturelle Gebräuche, das ungewohnte Essen … und nicht zuletzt die Stadt, Kairo. Seit Sonntag hatte ich bis gestern kaum eine ruhige Minute, außer ich habe geschlafen. Kurz: Die erste Woche war sehr intensiv und ich bin froh, sie jetzt hinter mir zu haben.

Grundsätzlich ist mein Ersteindruck aber sehr positiv. Die Schüler scheinen mir sehr freundlich und herzlich zu sein. Das Verhältnis von Lehrern und Schülern ist hier grundsätzlich ganz anders als in Deutschland, oft viel näher und auf einer schon fast eher freundschaftlichen Ebene. Das birgt natürlich auch wieder Gefahren, wenn man später die Noten geben muss. Hier gibt es anscheinend nur die zwei Wege, das genauso mitzumachen oder sich umso stärker abzugrenzen. Vernünftig ist es sicher, sich erstmal abzugrenzen, denn später kann man ja immer noch mehr Nähe aufbauen bis man die für sich richtige Balance gefunden hat. Da aber „vernünftig sein“ jetzt nicht so hundertprozentig mein Ding ist, gehe ich eher auf die andere Schiene, versuche mich aber nicht vereinnahmen zu lassen. Außerdem mag ich diese herzliche Art der Schüler, auch wenn Gerüchten nach diese Emotionalität zwei Gesichter haben kann, was sich unter anderem vor allem dann negativ zeigt, wenn die bekommene Note nicht mit der übereinstimmt, die der Schüler sich gewünscht hätte. Das werde ich aber noch früh genug feststellen.

Für mich selbst überraschend habe ich bis jetzt wenige Probleme mir die Namen zu merken. Zwar ist es für mich noch gewöhnungsbedürftig, dass nicht selten drei Leute mit dem gleichen Vornamen in der Klasse sitzen und dazu noch zwei mit dem gleichen Nachnamen, der bei den anderen der Vorname ist. Das überfordert mich an der ein oder anderen Stelle noch.

Richtig geil sind auf jeden Fall die Smartboards, die wir in dem neu gebauten Oberstufentrakt haben. Damit zu arbeiten macht – vorausgesetzt die Technik funktioniert – wirklich Spaß.

Die meisten Kollegen habe ich ja letzte Woche schon kennengelernt. Wirklich großartig finde ich ja unsere ägyptischen Kollegen, etwas ein Drittel aller Lehrer. Die sind alle herzlich und lachen viel. Mit einem habe ich ab nächste Woche auch ein Tandem, so dass er deutsch und ich arabisch lernen kann.

À propos arabisch: Dank meiner Arabischstunden – mittlerweile so knapp 15-20 – kann ich jetzt schon ein wenig Smalltalk halten. Hallo, wie geht’s? toll, und dir?, tschüssi! und so weiter klappt auch bereits mit einigen Variationen (mir geht’s supi!, so mittel) . Momentan lerne ich die Zahlen, was es gerade im Supermarkt und ähnlichen Situationen deutlich vereinfacht. Das Arabischlernen macht echt Laune, auch wenn’s anstrengend ist. Mein Lehrer, ich habe ja Privatstunden, ist ein sympathischer Typ und wir unterhalten uns auch häufiger mal über kulturelle Unterschiede, was mir das Land auch deutlich näherbringt. Gerade habe ich ein paar Hemden zum Bügeltypen gebracht und konnte, wenn auch gebrochen, auf Arabisch das Bügeln dieser Hemden und die morgige Abholung vereinbaren. Das ist jetzt sicher nicht der große Schritt für die Menschheit, aber für mich ist das ein weiteres Erfolgserlebnis.

Da die Schule und die Stadt sehr fordernd sind, ist es mir wichtig, einen guten Ausgleich zu haben. Jetzt habe ich mich schonmal in einem Fitnessstudio angemeldet, das heißt, ich werde totsicher zu einer alles vernichtenden Kampfmaschine, vorausgesetzt, dass ich das mit zwei-drei Besuchen pro Woche schaffen kann. Dazu war ich schon einmal mit zwei Kollegen und ein paar Leuten von der deutschen Botschaft kicken. Das war eigentlich ganz witzig, nur die Anfahrtszeit von knapp ner Stunde war dann eher so semi-geil. Weil ich jetzt fünf Tage hintereinander Sport gemacht habe, bin ich jetzt halt auch körperlich ein wenig platt; heute versuche ich mich so wenig wie möglich zu bewegen.

Einen Cellolehrer habe ich auch schon, treffe ihn aber erst nächste Woche. Aber damit dürfte ein Großteil meines Freizeit- und Erholungsprogrammes erstmal zufriedenstellend abgedeckt sein. (Gut, brauche noch von irgendwoher ein Cello, aber das wird sich schon einfinden).

Jetzt könnte ich noch stundenlang weiterschreiben, vor allem über den Verkehr. Über den gäbe es so einiges zu berichtigen. Auch muss ich noch den Beitrag zur ägyptischen Hochzeit nachliefern. Eigentlich hatte ich gehofft, das ein-zwei Tage später nachholen zu können. Wenn ich aber abends Zuhause ankomme, überwiegt das Bedürfnis nach Schlaf, ganz viel Schlaf.

Für heute Abend habe ich mich verabredet: Essen und Bauchtanzen. Also irgendjemand tanzt mit ihrem Bauch, nicht ich. Genug Bauch hätte ich zwar im Angebot, aber das würde wohl eher ein sehr spezielles Publikum anziehen. Angesichts meiner Bauchtanzfähigkeiten ein spezielles Publikum ohne Zahlungskraft. Da die Löhne in Ägypten eh sehr niedrig sind, ist das vorerst ein Karrierepfad, den ich nicht beschreiten möchte. Aber gut, bin ja mit dem Dasein als Lehrer vorerst gut ausgelastet. Langeweile ist hier etwas, vor dem ich vorerst keine Angst zu haben brauche.

1 Kommentar:

  1. Hallöchen aus Rastatt, wir vermissen ihren humorvollen Geschichtsunterricht sehr. Wir freuen uns, dass sie gut in Ägypten angekommen sind. Liebe Grüße

    AntwortenLöschen