Mittwoch, 24. Oktober 2012

Frankreich 2009 (7): Ein lustiger Besuch im Krankenhaus, 3. Akt.

Der letzte Teil aus meinem chaotischen Krankenhausbesuch mit meiner Vermieterin Maria. Die Vorgeschichte findet ihr hier: Teil 1, Teil 2.






Maria und ich standen vor dem Haupteingang des Krankenhauses. Aus Langeweile rauchte ich eine Zigarette nach der anderen, während Maria die Umstehenden informierte, dass sie von ihrem Freund angegriffen worden war. In fremde Augen schauen zu können, während diese sich fremdschämten, war faszinierend.
Den Rest der Zeit verbrachte ich damit zu rauchen, mir etwas zu trinken zu holen, zu trinken, zu gähnen, auf die Füße zu schauen, andere Menschen zu beobachten, während diese auch nichts Besonderes interessantes machten, s zu tun, als würde ich Maria nicht kennen, während sie mich von der Seite anlaberte, auf die Uhr zu schauen, und wieder zu rauchen – ein Teufelskreis der langen Weile. Nachdem Maria von der Toilette zurückkam und auf dem Weg bestimmt noch die gesamte Eingangshalle über ihr Schicksal informierte, meldete sich ein nur allzu menschliches Bedürfnis bei mir.

Ich schlenderte durch das Foyer, marschierte zielgerichtet auf das Unisex-WC, ließ meinen nimmersatten Drachen am Pissoir von der Leine, wusch anschließend meine Hände und trocknete sie mit Papiertüchern, von denen ich, unachtsam wie ich war, eines verschwendete. Auf meinem Wege nach draußen, fragte ich mich, für wie lange mich der Umweltschutzgott nach meinem Tode für dieses Vergehen wohl ins Fegefeuer schicken würde. Geistesabwesend durchschritt ich das Foyer und passierte eine Frau, die ohnmächtig zwischen den zwei Türen des Eingangsbereiches darniederlag und um die sich bereits einige Gäste des Krankenhauses gruppierten. Im Sonnenlicht angekommen, durchsuchten meine Hände meine Jacke nach Zigaretten, als mein Unterbewusstsein an das Schaufenster des Bewusstseins klopfte. „Irgendetwas stimmt nicht“, flüsterte es. Ich versuchte mir das Schlimmste vorzustellen, was mir in den letzten zwei Minuten hätte passieren können, schaute erschrocken an mir herunter – doch ein Glück: Der Hosenschlitz war geschlossen und der Inhalt ordnungsgemäß nach der deutschen Industrienorm verstaut. Puh! Ich wollte schon über den Scherz lachen, den mein neckisches Unterbewusstsein mit mir getrieben hatte, als sich folgende Frage aufdrängte: Wo ist Maria? Ich drehte mich um und schaute auf den Pulk Menschen, die sich um die Ohnmächtige versammelten. Ihr Gesicht hatte ich nicht gesehen und ich näherte mich, um dies nachzuholen.
 

Es war Maria. Wer auch sonst? Was sie an gesunder Gesichtsfarbe zu wenig hatte, hatte sie an Schaum um den Mund zu viel. Einige Frauen standen bereits um sie herum und schlugen ihr sanft auf die Backen, um sie in die Besinnung zu rufen. Es klappte nicht, doch dafür kam nun der Schaum, der sich an ihrem Mund bildete, viel besser zur Geltung. Für einen Moment haderte ich mit meinem Schicksal. Da sie nicht ansprechbar war, ging ich zur Rezeption, schilderte die Lage und verlangte nach einem Arzt. Stattdessen kamen kurz darauf Männer in der Uniform des Sicherheitsdienstes, deren medizinische Kenntnisse sich darauf beschränkten, der Ohnmächtigen auf die Backe zu schlagen. Überraschenderweise funktionierte das keineswegs und so ging ich erneut zur Rezeption. Der Sicherheitsdienst wäre zwar ganz nett, aber medizinisches Personal wäre sympathischer und notwendiger. Und zwar bald, s’il vous plaît!
 

Wenige Minuten erschien die Kavallerie mit einem Krankenwagen und drei Sanitätern. Mit Riechsalz und einigen Geräten, aus deren Funktion ich mir keinen Reim bilden konnte, erweckten sie Schneewittchen wieder zum Leben. Sie war ansprechbar, aber noch so unfit, dass sie nicht stehen konnte. Die Sanitäter luden sie in den Wagen, ich stieg vorne ein. Der Fahrer Wir bogen links ab, dann links und erneut links und als wir in die Einfahrt der Notaufnahme hinabfuhren, sah ich noch wie eine der Frauen, die Maria die ganze Zeit geholfen hatten, uns von drei Metern Entfernung zuwinkte. Ich schaue den Fahrer leicht irritiert an. Das hätten wir auch laufen können. 

Die Formalitäten für Maria musste ich erledigen. Ihren Nachnamen konnte ich mir dummerweise immer noch nicht merken, er war aber auch fürchterlich lang und kompliziert. Vielleicht haben die Portugiesen Komplexe, weil sie nicht so lange Wortketten bilden können wie wir Deutsche und lassen dann ihren ganzen Frust an den Namen ihrer Kinder aus. Zum Glück fand ich unter einer Notration von Schminken und Cremes ihr Portemonnaie.
 

Ein Arzt informierte mich später, dass Maria einfach auf zu viele Medikamente zu wenig gegessen und getrunken hätte und ich sie am Nachmittag wieder abholen könnte. Als ich noch einmal nach ihr schaute, ging ich also zur Tankstelle, holte einen Kanister Benzin und anschließend das ‚Auto‘. Mein Wunsch, so schnell und unauffällig wie möglich den Tag zu überstehen, scheiterte so knapp wie der Endsieg der Nazideutschen. Aber wenigstens habe ich überlebt.

Die Sonne scheint mir jetzt durch die Windschutzscheibe ins Gesicht, ich kneife die Augen zu, um nicht geblendet zu werden und . Es sieht fast so aus, als würde ich lächeln.

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